15.01.2010 - NZZ

Die Zürcher Luft ist noch lange nicht gesund

Regierungsrat stellt neuen Massnahmenplan Luftreinhaltung vor

Die Belastung der Luft mit Stoffen, welche die Gesundheit angreifen, ist in weiten Teilen des Kantons Zürich zu hoch. Die Regierung setzt weiterhin auf technische Verbesserungen.

Stefan Hotz

Ab Mitte der 1980er Jahre bis zur Jahrhundertwende hat sich die Luftqualität im Kanton Zürich verbessert. Seither stagniert die Belastung durch Schadstoffe auf immer noch zu hohem Niveau, werden doch die Grenzwerte für Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ozon überschritten. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung, wie Baudirektor Markus Kägi (svp.) am Donnerstag vor den Medien ausgeführt hat, und verursacht im Kanton etwa 800 Millionen Franken Kosten jedes Jahr: 555 Millionen im Gesundheitswesen, 164 Millionen an Gebäuden und 99 Millionen durch Ernteausfälle und Waldschäden.

Hauptproblem Feinstaub

Deshalb präsentiert die Kantonsregierung einen neuen Massnahmenplan Luftreinhaltung 2008. Er trägt diesen Jahrgang, weil er damals erarbeitet und in eine Vernehmlassung geschickt wurde. Die Bestandesaufnahme zeigt ein ernüchterndes Bild. Im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2007 waren etwa zwei Drittel der Kantonsbevölkerung einer zu hohen Belastung durch Feinstaub ausgesetzt; immer noch ein Viertel ist es beim Stickstoffdioxid. In beiden Fällen ist der Strassenverkehr der grösste Verursacher. Die flüchtigen organischen Verbindungen (VOC), die Vorläufersubstanz von Ozon, entstehen vor allem in Industrie und Gewerbe, das Ammoniak in der Landwirtschaft. Bei allen vier Stoffen wird der Kanton Zürich das Emissionsziel, das er sich für 2020 selber gesteckt hat, deutlich verfehlen.

Die Regierung wolle die Reduktion der Schadstoffe primär durch die Förderung des technischen Fortschritts realisieren, erklärte Kägi. «Von Massnahmen, die einschneidende Verhaltensänderungen bedingen, wird weitgehend abgesehen, denn wir wollen die Wirtschaft nicht bremsen.» Der Massnahmenplan (siehe Zusatztext) zeige beispielhaft, dass Ökologie und Ökonomie nicht in einem Widerspruch zueinander stünden, so Kägi. Die Förderung von umweltkonformen Technologien sei auch ein Beitrag zum Wirtschaftswachstum und zur Standortqualität. Hansjörg Sommer, Leiter der Abteilung Lufthygiene im kantonalen Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel), bestritt in diesem Zusammenhang Aussagen von Anfang Woche aus der Stadt Zürich, wonach die technischen Verbesserung ausgereizt seien. Er verwies auf die Absicht der EU, bis 2014 schärfere Abgasnormen vor allem auch für ultrafeine Partikel zu erlassen. Die Baudirektion hat für die einzelnen Massnahmen die Kosten ermittelt und dem volkswirtschaftlichen Nutzen gegenübergestellt. Sie rechnet mit Aufwendungen von insgesamt 95 Millionen Franken (oder 75 Franken pro Einwohner), denen vermiedene Kosten von 160 Millionen Franken gegenüberstehen.

Mehr Herzinfarkte

Bei den Gegenmassnahmen legt die Regierung das Schwergewicht auf den Feinstaub, weil besonders die feinen Russpartikel Lungenkrebs verursachen können. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen zudem, dass bei einer hohen Feinstaubbelastung kurzfristig vermehrt Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten, wie Nino Künzli, Vizedirektor des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts in Basel, an der Medienkonferenz ausführte. So steigen gemäss einer jüngeren Schweizer Studie bei einem Anstieg der Feinpartikelrate um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter die entsprechenden Spitaleinweisungen um 0,5 Prozent an.

Auf den Massnahmenplan haben drei Parteien sofort und sehr gegensätzlich reagiert. Während die Grünen die schnelle Behebung des rechtswidrigen Status quo fordern, schreibt die SVP von realitätsfernen Spekulationen: Der Massnahmenplan entbehre jeglicher Grundlage. Die FDP ihrerseits vermisst das Kriterium der Wirkungseffizienz.

sho. Der neue Plan zur Luftreinhaltung, der am 1. März in Kraft tritt, ersetzt jenen aus dem Jahr 1996, der nach zahlreichen Ergänzungen zum Flickwerk geworden ist. Erstmals hat die Regierung dazu auch eine Verordnung erlassen. Von den 43 Massnahmen, ein Drittel weniger als bisher, ist ein Drittel neu. Die übrigen schreiben bereits bestehende Massnahmen fort. Beim Verkehr sind zwei Punkte bereits als umfangreiche Gesetzesrevisionen in der Pipeline: die Förderung emissionsarmer Fahrzeuge durch einen Bonus bei der Verkehrsabgabe sowie die Teilrevision des Planungs- und Baugesetzes mit neuen Bestimmungen zur Parkierung und Verkehrserschliessung für Einkaufszentren. Weiter will der Kanton bei der eigenen Fahrzeugflotte ein Vorbild sein und fordert von Bern eine Pflicht zur Abgaswartung bei Zweirädern. Dazu soll der Bund, ein Novum, die Einhausung Schwamendingen mit einer Abluftreinigung ausstatten. Sodann strebt der Kanton beim Gewerbe eine Ausdehnung der Pflicht für Partikelfilter an Baumaschinen an, auch in Kies- und Recyclingwerken. Schliesslich gelten verschärfte Vorschriften für Feuerungen und Holzschnitzelheizungen, nicht aber für Cheminées. Neu ist dafür das Verbot, von November bis Februar Wald-, Feld- und Gartenabfälle im Freien zu verbrennen. Ausgenommen davon sind Grillfeuer und sogenannte Brauchtumsfeuer.

20.01.2010 - Tages-Anzeiger

Idylle gefährdet – die Angst vor einer neuen Rosengartenstrasse geht um

Das rechte Wipkinger und Höngger Limmatufer entlang fahren täglich

so viele Autos wie durch den Gotthardtunnel. Und verursachen morgens und abends Stau.

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Zwischen dem alten Riegelhaus und dem Bootshaus an der Limmat fahren täglich 15 000 Pendler durch. Foto: Dominique Meienberg

 

Von Carmen Roshard

Das Bootshaus eines Ruderklubs, ein geschütztes Riegelhaus, Schrebergärten und erwilderte Böschungen zeugen von der einstigen Idylle am rechten Limmatufer. Seit einigen Monaten ist nichts mehr, wie es einst war. Die nur gerade fünfeinhalb Meter breite Strasse Am Wasser ist zum Ein- und Ausfallkanal für den Verkehr zwischen Zürich und dem Unterland geworden. Knapp 15 000 Autos befahren diesen schmalen Streifen Asphalt jeden Tag, über 20 Prozent mehr, als an einem normalen Werktag durch den Gotthardtunnel brausen. Fussgänger kommen kaum mehr über die Strasse, und weil der Platz für Velofahrer und Autos nicht reicht, kommt es täglich zu gefährlichen Situationen.

Die Stadt vertröstete die Quartierbewohner an einer Infoveranstaltung der Interessengemeinschaft Am Wasser/ Breitensteinstrasse (IGAWB) im vergangenen Dezember auf Mai 2010. Dann soll die Abfahrtsrampe von der Hardbrücke zur Hardturmstrasse wieder offen sein und den Verkehr an der Limmat zwischen Europabrücke und Wipkingerplatz entlasten. Spätestens dann werde der Verkehr rechts der Limmat entlang mittels Rotlichtsteuerung im Zaum gehalten, versprach die Stadt.

«Der Mehrverkehr ist unseres Erachtens zeitlich begrenzt», sagen die Verantwortlichen der Dienstabteilung Verkehr. «Im Sinne des Funktionierens des Gesamtsystems ist der Mehrverkehr rechts der Limmat unerfreulich, jedoch unumgänglich.»

 

Niemand übernimmt Führung

 

In Wipkingen verhallen solche Worte im Verkehrslärm. Quartiervereinspräsident Beni Weder: «Ich glaube an gar nichts mehr.» Sein Höngger Amtskollege Ueli Stahel klagt: «Beim Verkehrspuff im Kreis 10 hat bei der Stadt niemand den Mut, die Führung zu übernehmen.» Und der Grund liegt – wie oft in der Verkehrspolitik – in einem Konflikt mit dem Kanton. Die Strasse Am Wasser ist als regionale Verkehrsachse kategorisiert. Das heisst, der Kanton hat beim Ausbau das Sagen. Und genau das ist die Krux. Weil die Kanalisations- und Elektroleitungen unter der Uferstrasse ohnehin dringend saniert werden müssen, wollen die Verkehrsplaner das Problem nämlich so lösen, wie sie es immer tun, wenn sich irgendwo Autos stauen: Sie planen eine breitere Strasse. Zwischen 2012 und 2014 soll das Asphaltband von heute 5,50 Meter auf 8 Meter verbreitert werden. Zwar verspricht die Stadt, die Fahrspuren würden nicht verbreitert, es würden bloss beidseitige Trottoirs und je ein Velostreifen gebaut. Doch beruhigen kann das die Quartierbewohner nicht. Nicht nur, weil das gewachsene Ortsbild empfindlich beeinträchtigt würde, weil Teile des begrünten Ufers zugepflastert würden und Hausbesitzer einen Streifen ihrer Gärten opfern müssten. Sondern vor allem, weil die breitere Strasse mehr Verkehr anziehen dürfte.

Nun formiert sich im Quartier Widerstand.

«Wir und unsere Quartierbewohner haben die Schnauze voll», sagt Beni Weder. Den Beteuerungen der Stadt, der Verkehr werde nach den gegenwärtigen Umleitungen wieder abnehmen, glaubt er nicht: «Wir hören permanent penetrantes Blabla. Bei der Rosengartenstrasse warten wir schon seit 38 Jahren. Und geschehen ist bis jetzt nichts.» Wipkingen fürchtet, dass nun entlang dem Limmatufer eine weitere stark befahrene Einfallsachse droht, und zwar auf Dauer. Die IGAMW forderte deshalb

bereits an der Infoveranstaltung im letzten Dezember:

  • Tempo 30 von 22 bis 7 Uhr

  • Tempo 30 beim Schulhaus Am Wasser, nicht nur während der Schulzeiten,

Schwerverkehrverbot Tag/Nacht

  • Tempomessautomaten

  • Konsequentes Umleiten des Verkehrs während der Schliessung der Rampe Hardturmstrasse von der Hardbrücke über den Wipkingerplatz in Richtung Wipkingerbrücke, Hardturmstrasse, Pfingstweidstrasse.

Auf die Forderungen seien die Vertreter der Stadt nur bedingt eingegangen,

und viele Fragen seien offen, sagt Markus Roth, Gründungsmitglied der IGAWB. «Die Stadt kann leider – auch wenn sie das in diesem Fall gerne machen würde – nicht einfach die Wünsche der Bevölkerung umsetzen. Sie kann nur machen, was rechtlich möglich ist», hört man aus der Dienstabteilung Verkehr. Das Hauptproblem für die IGAWB wird darum sein, so Markus Roth, abzuschätzen, wo und wie weit die Stadt effektiv nur ihren formellen Verpflichtungen gegenüber dem Kanton nachkommt,

und wo sie hingegen Spielräume hat und in welcher Weise sie diese für oder gegen die Bevölkerung am Wasser/Breitensteinstrasse nutzt.

Die Quartiervereine Höngg und Wipkingen stellen ebenfalls Forderungen: «Wir wollen ein Gesamtverkehrskonzept für den ganzen Kreis 10 und nicht nur Pflästerli gerade dort, wo es am meisten weh tut und die nichts zur Verbesserung der Verkehrssituation

beitragen». Denn, und da sind sich Stahel und Weder einig: Der Verkehr kann nicht einfach irgendwo gedrosselt werden, ohne dass er an einem anderen Ort wieder auftaucht. Das sei eine Verkehrsstrategie, die an der Realität vorbeigehe. Das grösste Übel sei das Parteiengezänk. Permanent schiebe man sich zwischen Stadt und Kanton die Schuld in die Schuhe und so passiere nichts. «Stimmt nicht», betont das Tiefbauamt, «die Stadt und der Kanton streiten überhaupt nicht.» Das Gegenteil sei der

Fall – sowohl Stadt als auch Kanton seien bestrebt, für beide verträgliche Lösungen zu suchen. «Die Interessen sind diametral entgegensetzt», so Weder. Er glaubt nicht, dass diese idealisierte «Gesamtschau» aufgeht. «Es wird immer Individualverkehr geben, ob wir das wollen oder nicht.»

Gründung IGAWB, im Gemeinschaftsraum der Siedlung Eigengrund, Am

Wasser 102a: 26. Januar, 20 Uhr.

30.01.2010 - Tages-Anzeiger

Strassen am Rande des Nervenzusammenbruchs

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Zuständig für die hohen Mobilitätsbedürfnisse in Zürich: Jürg Christen.

Ob zu Fuss, im Auto, auf dem Velo oder im Tram: Unterwegs erlebt man den Verkehr aus subjektiver Sicht. Die Kolonne in der Langstrasse. Das Tram, das einem vor der Nase wegfährt. Die Warterei vor dem Rotlicht. Auch Jürg Christen sieht den Stau, das Tram, die Ampel – jedoch immer im grossen Zusammenhang. Mit der Ampel vor der Kolonne, der Baustelle danach. Als Chef Verkehrssteuerung beim Polizeidepartement gilt sein Blick der Optimierung des Verkehrsflusses. Christen managt die Zürcher Verkehrsströme durch die schwierigen Baustellenzeiten und wirkt dabei im Gespräch manchmal wie ein Arzt, der alles tut, um seinen operierten Patienten zu stabilisieren. Denn seine grösste Sorge ist der Kollaps.

Herr Christen, vor Monaten waren die flankierenden Massnahmen fast ein Fluchwort. Heute wird kaum noch darüber gesprochen. Ist plötzlich alles gut geworden?
Wir sind auf Kurs, das Verkehrsvolumen liegt um 38 Prozent tiefer als vor einem Jahr, weil der Transit tatsächlich um die Stadt herum läuft. Wenn Sie heute in Zürich einen Lastwagen sehen, ist der in der Regel für eine Anlieferung unterwegs. Aber zufrieden, das bin ich eigentlich nie.

Wieso?
Unser Job ist es, den Verkehrsfluss zu optimieren. Je mehr man aber optimiert, desto fragiler wird das System. Ein Beispiel: Heute Morgen, ich war auf einem Kontrollgang,

staunte ich an der Weststrasse über eine Kolonne. Die hätte es gar nicht geben dürfen, die Grünzeiten sind tipptopp eingestellt.

Warum gab es sie trotzdem?
Der Grund ist genauso simpel wie typisch. Ein Lastwagen war für die Papiersammlung unterwegs, stoppte hier mal kurz, dort etwas länger. Das klingt nach nichts, zieht aber sofort Behinderungen nach sich.

Das klingt, als ob das Zürcher Strassennetz immer kurz vor dem Kollaps stünde.
Der Spielraum ist zumindest sehr eng. Wegen der drei Grossprojekte Westumfahrung, Sanierung der Hardbrücke und Umbau der Pfingstweidstrasse fehlen fast alle Ausweichflächen. Wenn auf der Hardbrücke ein Baulaster oder ein Pannenfahrzeug nur eine Minute lang eine Spur blockiert, hat das sofort Staus zur Folge. Passiert dies kurz vor den Abendspitzen, erholt sich das System erst nach 21 Uhr.

Wäre es nicht klüger gewesen, die drei Grossprojekte gestaffelt abzuwickeln?
Nein, dann hätte der Engpass einfach drei mal drei, also neun Jahre gedauert. Denn bestimmend für die Kapazität ist immer das schwächste Glied. Unser Kunststück war, dass wir in Absprache mit dem Kanton schon weit voraus Kapazitäten definiert hatten. An diesen haben wir festgehalten – ungeachtet aller Ereignisse und politischer Einsprachen. Und bis heute sind wir gut damit gefahren.

Vorwürfe hagelte es, weil Sie die flankierenden Massnahmen zwei Tage vor der Eröffnung des Uetlibergtunnels in Kraft setzten. Die Stadt riegle sich ab, hiess es.
Normalerweise sperrt man alte Strassen erst, wenn die neuen da sind. Wir sind nach langem Überlegen zu einem anderen Schluss gekommen. Hätten wir erst am Montag mit den flankierenden Massnahmen begonnen, wäre das Chaos viel grösser geworden, und wir hätten Unfälle riskiert.

Sie hätten auch einige Wochen länger warten können.
Dann wären die Autos einfach wie bisher durch Zürich gefahren. Und der Gesamtverkehr hätte zugenommen.

Trotzdem forderten bürgerliche Kantonspolitiker die Entmündigung Zürichs in Sachen Strassen.
Das habe ich nicht verstanden. Alles war mit dem Kanton abgesprochen, sorgfältig geplant. Auch das Ziel war klar, den Verkehr durch die Stadt zu reduzieren. Dazu gab es keine andere Lösung.

Haben Sie das zwischenzeitliche Chaos vorausgesehen?
Umstellungen brauchen Zeit. Autofahrer müssen sich an die neuen Bedingungen gewöhnen, der Verkehrsstrom pendelt sich langsam ein. Und jetzt beobachten wir den Verkehr sehr genau und reagieren, falls etwas nicht läuft.

Haben Sie ein Beispiel?
Die Sperrung der Sihlrampe. Geplant war die nicht. Wir haben aber schnell festgestellt, dass die paar Autos, die sie benutzen, den einspurigen Verkehr auf der Hardbrücke so ins Ruckeln bringen, dass die Achse unter die mögliche Kapazität von 1000 Autos in der Stunde fällt. Die wenigen Autos fahren nun über den Wipkingerplatz.

Wie stark beeinflussen politische Vorgaben Ihre Arbeit?
Unsere wichtigsten Aufgaben sind, eine hohe Sicherheit zu gewährleisten und Lösungen für alle Verkehrsteilnehmer zu finden. Unser Handlungsspielraum ist gering: Der Raum ist beschränkt, die Strassen eng und immer mehr Leute darauf unterwegs.

Und dass der öffentliche Verkehr Vorrang hat, ist keine politische Vorgabe?
Ist es, aber diese Priorisierung drängt sich auch aus fachtechnischer Sicht auf. Ein Beispiel: In einem Tram haben 300 Menschen Platz. Würden diese einzeln in einem Auto sitzen, machte das 300 mal 5 Meter für die Autolänge, mal 3 Meter für den Abstand. Sie hätten also statt eines Trams eine Autoschlange von fast 2,5 Kilometer Länge. Wenn dies auf jedes Tram, das am Hauptbahnhof hält, zutreffen würde, käme es sofort zum Verkehrskollaps.

Das Zürcher Strassennetz funktioniert also momentan recht gut. Was aber sagen Sie den Anwohnern der Breitensteinstrasse, wo die Durchfahrtszahlen neuerdings fast Gotthardwerte erreichen?
Ich verstehe das Problem, aber es ist unmöglich, diese Strassen auch noch zu sperren. Wir müssen den Verkehrsstrom irgendwo durchleiten. Das Einzige, was ich sagen kann: Mit der Eröffnung der Hardturmrampe Ende April wird sich die Situation an der Breitensteinstrasse wieder bessern.

2011 werden die drei Grossbaustellen beendet sein. Lassen Sie dann wieder mehr Autos in die Stadt?
Nein, dafür fehlt der Platz. Die Lage wird sich aber nach 2011 stabilisieren. Wir werden Störungen, wie etwa einen Unfall, besser auffangen können. Das macht den Verkehr berechenbarer. Auch Quartiere werden entlastet sein.

Das klingt gut. Doch wird die Zahl der Autofahrer nicht weiter steigen?
Wir nehmen es an. Zürich ist ein Ballungsraum für 1,4 Millionen Menschen. Das Mobilitätsbedürfnis steigt ständig. Und es gibt schon jetzt mehr Blech als Asphalt.

Mit Jürg Christen sprachen Beat Metzler und Marcel Reuss

Westumfahrung: Die nächsten Schritte

Auf der Hardbrücke werden ab April die Auffahrt und die Abfahrt Hohlstrasse gesperrt sein. Ebenso die Abfahrt Geroldstrasse. Weiterhin gesperrt bleiben die Auffahrten Pfingstweidstrasse und Sihlquai. Die Abfahrt Hardturmstrasse hingegen wird im April wiedereröffnet werden. In beiden Richtungen befahrbar sein wird ab Sommer die Seebahnstrasse. Im Gegenzug wird die Weststrasse für den Durchgangsverkehr gesperrt und bis 2011 zur Quartierstrasse umgebaut. (reu)

26.02.2010 - Tages-Anzeiger

Kanton und Stadt beruhigen den Wipkinger Mehrverkehr nicht

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